Warum erkennt die Politik die Dramatik nach wie vor nicht?
Statement von Jürgen Gangl, 1. Vorsitzender der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV), zur Ablehnung des Gesetzentwurfs für einen dauerhaft niedrigen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Speisen in der Gastronomie durch die Ampel-Koalition
Stuttgart, 22. Juni 2023 – „Die Hoteldirektorenvereinigung Deutschland kritisiert die Absage der Ampel-Koalition an die dauerhafte Entfristung der Mehrwertsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie scharf. Ursprünglich befristet bis Ende 2022, wurde die Regelung bis Ende 2023 verlängert. Der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf für die Fortführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent über 2023 hinaus wurde aktuell von der Ampel-Koalition abgelehnt. Die Zusagen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner, die während der Corona-Pandemie eingeführte Hilfe für die Gastronomie fortzuführen, erweisen sich einmal mehr als leere Versprechen der Politik.
Interessant ist die Begründung der Ampel: Verwiesen wird auf die anspannte Haushaltssituation. Die hohen Ausgabenwünsche passten nicht zur Schuldenbremse. Außerdem habe sich die Situation der Gastronomie ‚deutlich‘ verbessert. Ohne in die Diskussion zu gehen, Für und Wider abzuwägen wurde der Gesetzentwurf mit fadenscheinigen Begründungen abgeschmettert. Die Gastwelt ist nichts weiter als simple politische Verhandlungsmasse und wird nach wie vor nicht als wichtiger Wirtschaftsfaktor von der Politik ernst genommen. Wir sind systemrelevant und keine Verhandlungsmasse. Der eigentliche Zustand der Branche wird ignoriert und mit dem Scheinargument ‚Verbesserung der wirtschaftlichen Lage‘ unter den politischen Teppich gekehrt.
Dass nach drei schwierigen Pandemie-Jahren die inflationsbereinigten Umsätze von Hotellerie und Gastronomie nach Angabe des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2023 immer noch 12,5 Prozent unter denen des ersten Quartals 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, liegen, interessiert offenbar nicht. Dass beispielsweise 36.000 steuerpflichtige gastronomische Betriebe laut Dehoga von 1919 bis 2021 Insolvenz angemeldet haben, spielt schlicht keine Rolle. Die Zahl der finanzschwachen und insolvenzgefährdeten Gastronomieunternehmen ist stark gestiegen. Für die gastronomischen Betriebe hierzulande ist die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes überlebenswichtig.
Die Ampel-Koalition denkt zu kurz: Die Branche ist durch drastisch gestiegene Preise und Inflation hoch belastet. Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 19 Prozent wird weitere Insolvenzen nach sich ziehen. Es werden Arbeitsplätze in der Gastronomie und in der Zulieferbranche verloren gehen und damit Kosten provoziert, die letztendlich vom Steuerzahler getragen werden. Die Preissteigerung wird an den Endkunden weitergegeben werden müssen. Wir sind mit der hohen Preissensibilität unserer Gäste jetzt schon täglich konfrontiert. Die erhöhten Preise auf Speisen werden letztendlich zusätzlich die Inflation befeuern. Will die Politik das?
Was also hat die Ampel-Koalition durch diese Entscheidung tatsächlich gewonnen? Warum erkennt sie die Problematik nicht und handelt? Hoffen wir, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.“
Bildunterschrift
Jürgen Gangl, 1. Vorsitzender der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland und General Manager im Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz
Foto: HDV